00:00:00:
00:00:14: Hallo und herzlich willkommen bei Reporter Insights.
00:00:17: In diesem Podcast sprechen wir mit Journalisten über ihre großen Recherchen und stellen ihnen dabei Fragen zum Journalismus, die wir uns stellen und die ihr euch vielleicht auch stellt.
00:00:26: Ich bin Leon Meckler und habe den Staffelstab übergeben bekommen von Johanna und Tom.
00:00:31: und werde in den kommenden Wochen zusammen mit Alessandra Röder diesen Podcast moderieren.
00:00:36: Mein heutiger Gast ist freier Reporter und schreibt viel über den Islam und Migration und macht so einige Recherche Reise in die islamische Welt, vor allem in den Iran.
00:00:47: Und vor kurzem ist sein Buch erschienen die fehlgeleitete Islamdebatte und ihre Folgen.
00:00:52: Ein notwendiger Realitätscheck.
00:00:55: Er ist auch Aluminier der Reportageschule und seine Abschlussreportage ist gerade im Reportagen-Magazin erschienen.
00:01:02: Darin geht es um die größte schiitische Pilgerreise, die Arbaien-Wallfahrt.
00:01:08: Ich freue mich sehr, dass er meiner ersten Folge zu Gast ist.
00:01:11: Tizio Lamarica.
00:01:12: Ja, danke euch für die Einladung.
00:01:15: Tizio, du warst ja noch nicht immer Muslim, sondern bist Konvertit.
00:01:19: Kannst du einmal kurz erzählen, wie es dazu gekommen ist?
00:01:23: Ja, das war so.
00:01:24: Es war vor Jahrzehntausendundzwanzig, als ich konvertiert bin in so einem mit Teppichen ausgelegten Raum Büro in Isfahan in der Heimat statt meiner damaligen Partnerin.
00:01:37: Sie ist Iranerin und wir hatten damals beschlossen zu heiraten.
00:01:42: Und dafür musste ich aber nach iranischem Gesetz zuerst zum Islam konvertieren.
00:01:47: Also ich bin, kann man sagen, aus praktischen, nicht aus religiösen Gründen zum Islam konvertiert.
00:01:54: Wie kam dir dann, wenn du jetzt schon sagst, du bist aus praktischen Gründen konvertiert, die Idee für diese Pilgerreise?
00:02:01: Das war tatsächlich schon so ab meiner ersten Zeit als Muslim, so in meiner neuen Religionsgemeinschaft.
00:02:10: haben mir schitische Freunde immer wieder vorgeschwärmt von dieser Pilgerreise.
00:02:16: Die hatten damit auch ein bisschen die Hoffnung verknüpft, dass ich, wenn ich nur genug über meine neue Religion lernen würde, irgendwann auch ein praktizierender Muslim werden würde.
00:02:26: Dazu ist es noch nicht gekommen.
00:02:28: Aber ich war so von Anfang an an gefixt von dieser Idee, an dieser wirklich megalomanischen Pilgerwanderung im Irak teilzunehmen.
00:02:39: nämlich zwanzig Millionen Gläubige jedes Jahr zu diesem heiligen Schrein, so der wichtigsten heiligen Städte im jüdischen Islam nach Kervela im Irak eben.
00:02:52: Du hast es gerade als mega lomanisch beschrieben, damit sich das unsere Zuhörer auch vorstellen können, was du darunter verstehst, würden wir einmal ganz kurz reinhören.
00:03:09: Vor und hinter mir stapfen auch alte, kranke und Kleinkinder
00:03:13: durch die unerträgliche Hitze.
00:03:15: Manche Frauen tragen
00:03:16: Neugeborene
00:03:17: im Arm.
00:03:18: Mit ihren schwarzen
00:03:19: Tüchern schützen
00:03:20: sie sie notdürftig vor der Sonne.
00:03:22: Junge, kräftige Männer schieben ihre behinderten oder schwerkranken Verwandten im Rollstuhl.
00:03:27: Es wirkt als wären
00:03:28: wir nicht Teil
00:03:29: einer Pilger, sondern einer Völkerwanderung.
00:03:32: Auch die Allerschwächsten haben sich trotz der extremen Bedingungen
00:03:35: auf den Weg gemacht.
00:03:37: Sie wanken,
00:03:38: humpeln, strauchen mit entschlossener
00:03:40: Mine, als sei Kebala das letzte Ziel ihres Lebens.
00:03:44: So Teseo, was ist denn jetzt das Besondere an genau dieser Pilgerreise?
00:03:49: Ja, was mich wirklich beeindruckt hat, und das war ja auch ein bisschen die Anfangsfrage, die mich sehr beschäftigt hat am Anfang dieser Reise.
00:03:58: Wie schafft man es in einem Land wie Irak mit maroder Infrastruktur, mit endemischer Korruption, ein Land, das immer noch vom Krieg gezeichnet ist?
00:04:09: Wie schafft man es da?
00:04:10: Zwarzig Millionen Menschen in der Wüste bei fast fünfzig Grad im Schatten, die dann eben achtzig Kilometer von der einen Heilungsstadt von Nadschaf bis nach Kerbel ab andern, wie schafft man es die zu rundum zu versorgen und zu verhindern, dass es zu Hitze Toten kommt, massenweise, dass Menschen verdursten und so weiter.
00:04:32: Ich konnte mir das gar nicht vorstellen, bevor ich mich überhaupt auf die Reise gemacht habe.
00:04:37: Aber dann vor Ort haben wir eben erlebt, als ich war ja auch mit einem Fotografen und mit einem irakischen Guide unterwegs, da haben wir erlebt, dass... Das Ganze möglich gemacht wird durch den Einsatz von Tausenden, aber Tausenden Freiwilligen, die da entlang dieses Bilger-Weges, sogenannte MOCAPS, also so Stände, betreiben.
00:04:58: Dort bekommen die Bilger alles kostenlos zum Essen, zum Trinken.
00:05:03: Also man geht da eigentlich diese Achtzehn Kilometer lang, fast kein einziges Stück, ohne was in der Hand zu halten, weil ständig die Freiwilligen irgendeinen Saft oder ein Sandwich in handrücken.
00:05:17: und dann gibt es noch klimatisierte Lagerhallen entlang des Weges, wo man sich dann auch so pritschen auf Matratzen hinlegen kann und da schlafen.
00:05:26: Es gibt Ärzte, die die Pilger versorgen, Blutdruck messen, so erste Anzeichen von Hitzeschlägen behandeln.
00:05:37: Es gibt Handwerker, die Man muss sich ja vorstellen, das sind nicht nur junge, fitte Männer, sondern auch viele Frauen, ganze Familien, Alte und Schwache.
00:05:49: Da sieht man junge Männer, die dann ihre älteren oder kranken Angehörigen auf Rollstühlen schieben über diesen Bilderweg.
00:05:57: Und dann gibt es Handwerker, die diese Rollstühle, wenn mal ein Rad ausspringt, die reparieren.
00:06:04: Es gibt Massöre, die einem die verkrampften Baden massieren.
00:06:08: Also man ist wirklich rundum versorgt.
00:06:11: Und dieser wahnsinnige Aufwand, der wird ja auch aufgrund eines bestimmten Anlasses betrieben.
00:06:16: Also kannst du vielleicht einmal kurz zusammenfassen, was der Anlass von diesem wichtigsten schiitischen Ritual ist.
00:06:23: Das geht zurück auf, man kann sagen, den wichtigsten Mythos der schiitischen Welt, nämlich den Tod von Imam Hossein.
00:06:31: Die Schiiten, vielleicht soll es Kurzer Hintergrund sind hervorgegangen als eigene Strömung innerhalb des Islams.
00:06:40: Es gibt ja diese zwei großen Strömungen zu Nieten und Schieten.
00:06:44: Die sind hervorgegangen aus einem früheren Erbfolgestreit.
00:06:47: Es ging um die Frage, wer übernimmt jetzt die Nachfolge von Mohammed?
00:06:52: Und den Höhepunkt dieses Erfolgestreites, der dann in einem blutigen Bürgerkrieg ausgeartet ist, erreichte dann eben der Kampf zwischen Imam Hossein auf der Seite der Schieden und dem damaligen Kalifen Yazid, einem rücksichtslosen Gewaltherrscher auf Seite der Sunniten.
00:07:12: Und genau damals hatte eigentlich Hossein auch unter den Sunniten genoss große Sympathie.
00:07:18: und dieser Yazid hat dann Hossein die Wahl gestellt, entweder du folgst mir und gibst mir dadurch Legitimation oder ich muss dich umbringen und ziehe den Kampf gegen dich.
00:07:30: Und Hossin hat aber, obwohl es von Anfang an klar war, dass er hoffnungslos unterlegen ist, hat sich eben nicht gebeugt.
00:07:40: und dann ist es zu dieser Schlacht in Kerbella gekommen, wo dann dausende Kämpfer von Yasit gegen ein paar Dutzend Mann von Hossin gekämpft haben und Hossin dann ums Leben gekommen ist.
00:07:54: Bei dieser Pilgerwanderung geht es darum, den Tod von Hossen zu betrauern und diese Ideale für die Ersteht, also Kampf für Gerechtigkeit gegen Unterdrückung, die hochzuhalten und zu feiern.
00:08:08: Und diese heilige Feier, die wirkt in deinem Text ja auch relativ banal an vielen Stellen, kann man sagen.
00:08:14: Also da gibt es dann Mülleimer, die keine Nutzer liegen, Plastikbecher über herum, Plastikflaschen.
00:08:20: Es riecht nach Exkrementen.
00:08:22: Man hört Technobits, Männer schnarchen die ganze Zeit.
00:08:25: Also es hat ja irgendwas von einem Technofest überl am Ende.
00:08:29: Für mich manchmal gehabt auch.
00:08:31: Hat dich denn überrascht, wie normal am Ende so eine Pilgereise auch sein kann?
00:08:36: Ja, es hatte tatsächlich auch für mich teilweise so was von Tecno Event.
00:08:41: Das sind ja alle in schwarz angezogen und dann hört man auch ständig diese Drums, diese sehr monotonen Beats, die die Menschen dazu animieren sollen, sich auf die Brust zu schlagen im Rhythmus, alle im gleichen Rhythmus.
00:08:55: Das ist eben auch so eine Trauerzeremonie, sich auf die Brust zu schlagen.
00:09:00: Und das Ganze hatte für viele auch einfach etwas von ja, großer Reise und irgendwie ein großes Erlebnis.
00:09:11: Viele kommen da ja zum ersten Mal und dann bekommt man auch noch alles kostenlos.
00:09:17: Aber genau was du angesprochen hast, war auch so der Müll, der Gestank.
00:09:22: Es war, muss ich sagen, es war auch eine Zumutung, diese Pilgerwanderung allein wegen der Hitze, aber eben auch der Müll, der überall rumlag, dadurch, dass das so viele Menschen unterwegs waren.
00:09:35: Also man wird rundum versorgt, aber es ist immer noch eine sehr, sehr harte Wanderung.
00:09:40: Die ja auch wirklich viele Menschen machen, also du hast es vorhin schon gesagt, einundzwanzig Millionen haben diesen Weg zwetausendzwanzig hinter sich gebracht.
00:09:49: Dieses Jahr waren es noch mehr und sie können das auch unter anderem nur deshalb machen, weil sehr viele Pilger auf der Strecke verpflegt werden, in Unterkünfte geboten werden.
00:09:59: Wie kann sich so eine Gemeinschaft bilden?
00:10:02: Hast du dafür eine Erklärung?
00:10:05: Ja, ist... Die Motivation der Freiwilligen, das anzubieten, ist ja nicht auch nur so völlig uneigennützig.
00:10:14: Die Freiwilligen, die da alles geben, um diese Bilder zu versorgen, die glauben, dass das alles eine Investition für ihr jenseits ist.
00:10:24: Also die sehen das so als eine große Vorausleistung.
00:10:29: Das würden sie dann alles von Allah irgendwann tausendfach zurückbezahlt bekommen.
00:10:34: Und also das ist zum einen eine Motivation.
00:10:37: und die Schieten sind als so.
00:10:40: Religionsgemeinschaft innerhalb des Islam haben eben durch diesen... Gründungsmythen wie den Schlacht von Kerbela, aber noch einige andere haben so eine sehr, sehr starkes Gemeinschaftsgefühl.
00:10:55: Das spürt man auch diese Solidarität.
00:10:57: Und die wird dann ja auch zum Teil politisch genutzt.
00:11:01: Sehr viele MoCAPs auf freiwilligen Ständen werden finanziert von der iranischen Regierung.
00:11:07: Die nutzen dann diese Pilgermanderung so irgendwie um einerseits um ihr Image im Irak selbst aufzupolieren.
00:11:16: Und andererseits aber auch so als Machtdemonstration im Inneren, in der islamischen Republik selbst, wo man dann den Menschen zeigen kann, seht her, wir da Billion, zwanzig Millionen schieten.
00:11:29: Wir unterstützen das, wir machen das auch logistisch ein Stück weit möglich.
00:11:35: Also wir Gläubigen sind sehr viele und das ist so ein bisschen ein Signal auch an die sekulare Opposition im Land.
00:11:42: Ein Signal der Stärke.
00:11:45: Und durch diese wirklich viele Menschen gibt es auch immer wieder Massenpaniken.
00:11:49: Also es sterben regelmäßig auch Menschen bei dieser Pilgerwanderung.
00:11:54: Hattest du denn Angst bei der Recherche auch?
00:11:57: Ja, anfangs schon, dachte ich mir schon, wie geht das überhaupt, wenn dann so Millionen Menschen auf diesen Schreien zuströmen.
00:12:04: Das ist teilweise auch wirklich dann eindrucksvoll, wenn man dann innerhalb dieses Moscheekomplexes steht, als Teil dieser enormen Menschenmenge, alle schwarz angezogen, es fühlt sich an, als wäre dann man so Teil einer dickflüssigen Masse und das schwappt dann hin und her.
00:12:24: Man verliert da teilweise schon die Kontrolle und wird einfach mitgerissen.
00:12:29: Als ich da war, ist das alles in geregelten Bahnen aber noch gelaufen.
00:12:34: Man spürt den Kontrollverlust, aber es gab jetzt keine... Vorfälle, wo jemand zu Boden kam und dann niedergetrampelt wurde oder Massenpaniken oder so, das haben wir nicht erlebt, aber wir wussten, dass es das in der Vergangenheit hin und wieder gegeben hat.
00:12:52: Und das versucht dann dort die Schreienverwaltung auch meistens unter den Teppich zu kehren, um die Leute nicht abzuschrecken.
00:13:01: Das war jetzt ja auch eine lange Recherche und ich kenne das von meinen langen Recherchen, dass ich oft nach Hause komme.
00:13:06: und Freunden davon erzähle und dann habe ich immer Anekdoten, die ich total toll finde, die es aber dann beim Schreiben vom Text nicht in einen fertigen Text schaffen.
00:13:14: Hattest du so eine Anekdote?
00:13:18: Ja, tatsächlich, weil wir gerade eben über diese... Massenpaniken gesprochen haben.
00:13:25: Wir haben uns einmal unterhalten mit einem dieser Ordner, die am Eingang der Moschee eben die Leute reinwinken, rauswinken, das versuchen zumindest so ein bisschen in geregelte Bahnen zu lenken, diese enormen Menschenströme.
00:13:42: Und der hat uns erzählt, am Tag davor gab es tatsächlich eine ältere Frau, die dazwischen die Masken geraten ist und die eben schon sehr zerbrechlich war, alt und dann keine Luft mehr bekommen hat und die haben sie dann auch leider nicht mehr geschafft zu reanimieren.
00:14:00: Die ist dann gestorben an den Folgen dieser Quetschungen, die sie erlitten hat, da zwischen all diesen Menschen gehör waren.
00:14:08: Und der Ordner meinte aber, ja, einem Mann wäre das niemals passiert.
00:14:14: Das ist ja nur, weil Frauen, meinte er so zu uns, wissen wir ja, sind ungeduldige Wesen und die drängen dann nach vorne.
00:14:23: und ja, einem Mann wäre das nie passiert.
00:14:27: Also, ja, Frauen nehmen auch an der... an dieser Pilgerwanderung teil, aber man hat ab und zu auch so diese Vorurteile, diese Stereotype sehr stark gespürt.
00:14:40: Ich würde noch mal gerne zum Text zurückspringen und zwar beschreibst du da auch die Begegnung einer Frau Esra.
00:14:47: Kannst du diese Begegnung einmal kurz beschreiben und auch generell, wie bist du mit Frauen dort in Kontakt gekommen?
00:14:56: Genau, so Frauen würde ich sagen, haben so ein Drittel der Aller-Bilger ausgemacht.
00:15:03: Man hat dann natürlich keine einzige Frau ohne Kopf durchgesehen.
00:15:07: Die meisten waren sogar von Kopf bis Fuß in schwarzen Chador, so nennt man diese Ganzkörperschleier, waren verhüllt.
00:15:15: Manche haben auch hier Gesicht verhüllt.
00:15:18: Esra war eine Freiwillige, die am Rande dieser Bilgerwanderung an so einem medizinischen Stand die Bilger verpflegt hat.
00:15:28: Und mit Frauen ins Gespräch zu kommen, da hat uns unser irakischer Guide erst mal gewarnt, das sollte man zuerst, wenn sie in Begleitung von männlichen Angehörigen sind, die Angehörigen fragen, ob man das tun darf.
00:15:44: Und das haben wir auch da gemacht, da haben wir erst mal die männlichen Kollegen fragen müssen, ob wir mit den Frauen sprechen dürfen.
00:15:51: Das ging dann in Ordnung.
00:15:53: Und ja, dann hat uns Esra so von ihrer Arbeit erzählt, von ihrem Hintergrund, sie ist dreißig Jahre alt, hat mit fünfzehn Jahren ihren ersten Sohn bekommen, musste dafür die Schule abbrechen.
00:16:07: Ihre Heirat war auch, was wir eine Zwangsheirat nennen würden, das haben die Eltern so arrangiert und... Ja, jetzt, wo der Sohn selbst fünfzehn ist, so alt wie sie als Mutter wurde, hat sie sich entschieden nochmal zu studieren und studiert jetzt Medizin und arbeitet nebenher freiwillig als Pflegerin.
00:16:31: Du hast diese Reise, diesen Text in Reportagen mit dem Titel Wie werde ich Muslim überschrieben?
00:16:37: Und da habe ich mich gefragt, nach dieser Reise würdest du sagen, dass du auf eine Art und Weise mehr Muslim geworden bist?
00:16:45: Das ist eine gute und schwierige Frage, weil es darauf ankommt, wie man den Islam eigentlich definiert.
00:16:52: Aus meiner Sicht ist Islam ja auch nicht nur eine Religionsgemeinschaft, sondern ein Kulturraum, wo dann eben... Werte wie Gastfreundschaft, aber auch dieses stark ausgeprägte soziale Bewusstsein, dass man auch da auf der Pilgerwanderung immer wieder erlebt hat, dass es völlig egal ist, ob man jetzt alt ist oder schwach oder krank.
00:17:16: Es ist allen ein Anliegen, diese Pilgerwanderung allen zu ermöglichen, so dieses Herz für Schwache und Kranke, dass man im Islam, immer in islamischen Gemeinden, immer wieder sehr stark spürt.
00:17:30: Das sind Werte, die ich persönlich sehr schätze und wo ich auch sage, da habe ich viel mitgenommen und habe viel gelernt und bin insofern auch froh, jetzt so ein bisschen Teil dieser Welt geworden zu sein durch meine eigene Konversion.
00:17:47: Wenn man es jetzt streng als Religionsgemeinschaft definiert, dann bin ich ja dadurch, dass ich selbst nicht praktizierend bin, bin ich so streng genommen, auch jetzt immer noch kein Muslim.
00:17:59: Aber dann wäre ich auch vorher kein Christ mehr gewesen, weil ich ja nicht gläubig war in dem Sinne.
00:18:06: Und du hast nicht nur diese Reportage geschrieben, die sich mit dem Islam beschäftigt, sondern auch ein erstes Buch veröffentlicht, nämlich die fehlgeleitete Islamdebatte und ihre Folgen.
00:18:16: Und beim Lesen hat sich es für mich ganz oft so angefühlt, als würdest du teilweise auch mit dir selbst diskutieren und sehr viel erlebt es mit politischer Analyse vermischen, Einblicke in Historie geben, in den Mythos.
00:18:30: Was wolltest du oder willst du auch mit diesem Buch erreichen?
00:18:35: Ja, ein bisschen lässt sich das auch anknüpfen an das, was ich im Irak erlebt habe.
00:18:39: So einerseits diese grenzenlose Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft, diese grenzenlose Großzügigkeit, dass man also relativ selbstlos eben sich einsetzt dafür, dass all diese Millionen Menschen dieses Erlebnis haben können, diese Bildgewandlung machen können von Reich bis Arm.
00:19:05: Andererseits sieht man da ja auch diese politische Vereinnamung durch den Iran.
00:19:10: Man erlebt auch viel religiösen Fanatismus und diese Zwiespältigkeit, diese Widersprüche ziehen sich im Grunde durch den ganzen Islam.
00:19:22: Ich habe auch in Deutschland im Zugemeiner Recherche für das Buch war ich in zahlreichen deutschen Moschegemeinden unterwegs und habe da auch einerseits erlebt, wie es sich eigentlich die meisten Moschegemeinden, in denen ich war, für ein friedliches, für ein tolerantes Miteinander einsetzen, obwohl sie auch angefeindet werden, Ausgrenzung erleben und trotzdem an diesem Engagement festhalten.
00:19:49: Andererseits habe ich aber auch eine Moschee erlebt, wo ganz offen gegen die Demokratie gepredigt wurde.
00:19:56: Das war auch so eine Gemeinde, die dem iranischen Regime nahe stand, ideologisch.
00:20:02: Genau, man erlebt alles Mögliche und es würde zu kurz greifen, den Islam jetzt pauschal als politische, gewalttätige Ideologie zu verurteilen, aber es würde auch zu kurz greifen, zu sagen, diese Gewalt im Namen des Islam hat gar nichts mit Religion zu tun und der Islam sei eigentlich eine Religion des Friedens.
00:20:24: Was man anerkennen müsste, wäre, dass all das Islam ist, dass es viele verschiedene Islame gibt.
00:20:32: dass es eine extrem vielfältige Religion ist.
00:20:36: Und wenn man das erstmal anerkennt und so zur Grundlage des Islamdiskurses in Deutschland macht, würde das letztendlich auch zu einer besseren Integrationspolitik führen.
00:20:46: So ist die These meines Buches.
00:20:49: Du hast ja jetzt schon gesagt, die Hauptthese von deinem Buch ist eben, dass diese fehlende Ambivalenz im Diskurs auch nicht abgebildet wird.
00:20:57: Was könnten wir denn als Gesellschaft auch politisch machen?
00:21:01: Was wären Lösungsvorschläge von dir?
00:21:05: Erstmal ist natürlich so grundlegende Kenntnis über den Islam das Wichtigste, um Vorteile abzubauen, um auch so bauschale Islambilder, ob sie jetzt eher verniedlichende, eher von einer linken Bubble ausgehende Islambilder sind, oder ein bauschaler Generalverdacht, wie das eigentlich in der deutschen Mehrheitsgesellschaft der Fall ist.
00:21:29: So grundlegendes Wissen ist erst mal das Wichtigste, würde ich sagen, und in einem zweiten Schritt müsste es dann auch politische Konsequenzen daraus geben, aus dieser Einsicht, dass der Islam sehr vielfältig, da es auch sehr widersprüchlich ist.
00:21:46: Es käme darauf an, anzuerkennen, dass es auch in Deutschland teilweise Probleme gibt, dass es Islamauslegungen gibt, die auch hier gelebt werden, die mit einer offenen Gesellschaft nicht vereinbar sind.
00:21:59: Die müssten dann mit den Mitteln des Rechtsstaates bekämpft werden.
00:22:07: Andererseits aber müsste man auch dann sehen, wie viele Muslimische Gemeinden sich einsetzen mit großem Einsatz für Toleranz, für ein friedliches Miteinander.
00:22:20: Und diese Gemeinden dann aber auch aktiv stärken, auch politisch fördern, mit ihnen zusammenarbeiten, den Dialog pflegen.
00:22:31: Und von Generalverdächtigungen gegen alle Muslime oder vor allem gegen praktizierende Muslime, wo dann schon ein Kopfduch oder fünf Mal am Tag beten genug ist, um sie unter Islamismusverdacht zu stellen, davon müsste man unbedingt absehen.
00:22:46: Das kommt dann eigentlich nur den wahren Islamisten zugute, die diese Ausgrenzungserfahrungen der Muslime dann nutzen, um so ihr Narrativ zu stärken, die gegen uns Deutschland ist gegen den Islam und wir haben als einzige Möglichkeit, nur die uns wieder zurückbesinnen auf unsere eigenen Werte, was die Islamisten dann eben als eigene Werte verkaufen, die Islamisten dann eben diese rückständigen extremistischen Religionsvorständnisse.
00:23:17: Welche Rolle spielen wir als Journalisten und Journalistinnen dabei?
00:23:21: Also was können wir auch als Medienmachende besser machen?
00:23:26: Ja, eine enorm große.
00:23:28: Ich bin kein Freund davon zu sagen, wir müssten jetzt eigentlich nur noch über... positive Geschichten berichten und es ist ja belegt, dass beispielsweise in der ARD-Berichterstattung über den Islam, neunzig Prozent der Beiträge sich nur mit Terrorismus und Sicherheitsproblemen beschäftigen.
00:23:49: Das führt dann dazu, dass eben auch in der breiten Bevölkerung Islam erst mal nicht einfach nur als eine Religionsgemeinschaft, sondern in erster Linie als Sicherheitsproblem wahrgenommen wird.
00:24:01: Die Lösung ist glaube ich nicht, dass man sagt, wir berichten jetzt nicht mehr über Probleme, die es ja auch gibt.
00:24:07: Das ist ja auch unsere Aufgabe da hinzuschauen, wo es Missstände gibt.
00:24:11: Aber dass man das auf andere Weise macht, dass man dann beispielsweise, wenn es um... extremistische online Prediger gibt, das ist gerade ein sehr großes Problem, dass islamistische Prediger auf TikTok oder auf Instagram Millionen junger Muslime oder hunderttausende junger Muslime in Deutschland erreichen mit ihren Botschaften, dass man, wenn man darüber spricht, nicht nur eben Das benennt, sondern auch dahin sieht, wo Muslime selbst das bekämpfen.
00:24:44: Es gibt unzählige Dialogen und auch Moschegemeinten, die versuchen da, ihre Gemeinden darauf zu sensibilisieren und Narrative aufzustellen, Erzählungen aufzustellen, die diesen extremistischen Erzählungen zu widerlaufen, ihnen widersprechen.
00:25:02: Wenn man also Probleme anspricht, dann kann man auch die Facetten aufzeigen, wo Muslime selbst eben diese Probleme angehen und bekämpfen.
00:25:14: Wir kommen jetzt zu unserer Rubrik, kommt zum Punkt.
00:25:18: Das geht ganz einfach.
00:25:19: Ich fange einen Satz an und du beendest ihn und das Ganze machen wir dreimal.
00:25:32: Was ich in der deutschen Debatte über den Islam nicht mehr hören kann, ist...
00:25:36: Wenn man von dem Islam spricht, ganz allgemein, als wäre der Islam so eine monolithische, eine einförmige, große Masse oder Religion.
00:25:49: Wenn ich an die Pilgereise zurückdenke, kommt mir dieses eine Bild.
00:25:54: Ganz früh am Morgen dieser riesige Menschenstrom, der sich gleichmäßig in Richtung des heiligen Schreins bewegt und die schwarzen Fahnen, die Menschen, die sich auf die Brust schlagen, das Gefühl, Teil von etwas ganz Großem zu sein.
00:26:13: Die iranische Protestbewegung Frau-Lebenfreiheit zeigt für mich,
00:26:18: dass Werte wie Feminismus, wie Gleichberechtigungen, wie Freiheit nicht europäische Werte sind, sondern universelle Werte für die Menschen auf der ganzen Welt unter riesigem Einsatz kämpfen.
00:26:34: Damit sind wir auch schon am Ende unserer heutigen Episode angelangt.
00:26:39: Wir haben mit Teseo Lamaker gesprochen über eine unvergessliche Pilgereise und darüber, wie die Islamdebatte aus seiner Sicht fehlgeleitet ist.
00:26:48: Lieber Teseo, vielen Dank, dass du da warst.
00:26:52: Danke euch.
00:26:53: Und wenn euch der Podcast gefallen hat, liked und abonniert ihn.
00:26:56: Das hilft uns, gehört zu werden.
00:26:58: Wenn ihr Fragen, Feedback oder auch Themenvorschläge habt, schreibt sie uns gerne auf Instagram.
00:27:04: Dort heißen wir et-Reportageschule.
00:27:06: Bis zum nächsten Mal.